Raus aus Kathmandu

Nun, da die Ferien vorbei sind, haben wir volunteers einen Großteil des Tages frei. Für mich als Teilzeitarbeitnehmer läuft das mit dem Übersetzen aus der Ferne jetzt ein wenig geordneter als die vergangenen paar Wochen, wo ich mir das immer ein wenig über den Tag aufbröckeln musste, aber die neu gewonnene freie Zeit muss natürlich auch genutzt werden, um neben dem brother- und uncle-Dasein auch einfach mal ein wenig Tourist zu sein. Den Anfang bildet heute ein Ausflug in die Nähe von Bhaktapur. Der Wecker klingelt um Viertel nach drei Uhr morgens, denn wir wollen in den Bergen einen Sonnenaufgang anschauen. Bei Gocool, einem Absolventen des Vereins, der nun mit Mitte Zwanzig seinen eigenen Fremdenführer-Shop hat, mieten wir einen Van. Gocool und sein Fahrer gabeln uns also in aller Frühe an der ring road auf, und nach ungefähr einer Dreiviertelstunde erreichen wir ein kleines Hotel in den Bergen mit einem traumhaften Blick. Ich bedanke mich an dieser Stelle vor allem bei Nina, deren Kamera einfach weitaus bessere Fotos schießt als mein Handy, und die mir ihre Aufnahmen zur Verfügung stellt. Meine Videoaufnahme ist eigentlich auch nicht sonderlich beeindruckend. :) Aber überhaupt lässt sich so ein wunderschönes Naturereignis gar nicht adäquat festhalten. Highlight ist natürlich vor allem auch, dass wir hinter der Bergkette einen kleinen Blick auf den Mount Everest werfen können.

Anschließend machen wir einen kleinen Abstecher nach Bhaktapur und besichtigen die älteste Hindu-Tempelanlage Nepals. Wir kommen gerade rechtzeitig, denn vor dem Tempel finden zeremonielle Festlichkeiten zugunsten von Kali statt, der Hindu-Göttin des Todes und der Zerstörung. Ein paar Anwohner haben sich versammelt und bringen vor einem Schrein Tieropfer dar: Zunächst werden die unglückseligen Hühner am Kopf markiert und mit Weihwasser betröpfelt, dann wird ihnen mit einem Messer der Kopf abgekappt. Mit dem Blut wird der Schrein besprenkelt. Auch eine schwarze Ziege steht schon bereit – wie wir von Gocool erfahren, sind schwarze männliche Ziegen das angesehenste Tieropfer für Kali. Dem armen Tier blüht wohl schon, was da auf ihn zukommt, denn es wirkt sehr unruhig und wehrt sich, je näher man es an den Schrein heranführt. Aber es gibt kein Entkommen: Mit einem glatten Schnitt wird die Kehle aufgetrennt, und in hohem Bogen sprudelt das Blut in den Schrein. Anschließend wird der Kopf komplett abgeschnitten. Wie schon bei den Hühnern zuckt der übrige Körper bestimmt noch eine Minute lang. Es ist irgendwie ein barbarisches Bild (vor allem mit den ganzen Kindern, die das völlig unbeeindruckt beobachten), andererseits bin ich zu fasziniert, um wegzuschauen. Das Fleisch wird selbstverständlich noch verwertet und später als Speise verwendet.

(Anekdote: Nadine und Louisa erzählen, dass sie auf einer Trekking-Tour an einem der wichtigsten Feiertage für Kali in ein Dorf kamen, wo eine regelrechte Massen-Ziegen-Schlachterei stattfand. Ich habe ja inzwischen mehrfach hervorgehoben, wie königlich die Nepalesen einen Gast behandeln – und so waren die beiden auch quasi überall im Dorf eingeladen, dem anschließenden Festmahl beizuwohnen. Als Gäste bekamen sie natürlich das Beste der abgeschlachteten Tiere vorgesetzt: die Innereien. Wieder einmal ein Beispiel, wie man als Gast lieber auf das „Beste“ verzichten würde, es aber aus Respekt nicht tut und sich eher etwas herunterwürgt, als die zuvorkommenden Gastgeber zu beleidigen.)

Die eigentliche Tempelanlage ist relativ schlicht. Gocool erklärt ein wenig die Rolle Shivas, des wichtigsten der doch sage und schreibe 330 Millionen Hindu-Götter. Ich als Christ, für den Verehrung im Tempel kein Fremdbegriff ist, finde aber vor allem die Aufzählung einiger Fragmente der hiesigen Tempelrituale interessant, die mir nämlich gar nicht fremdartig vorkommen: Man schellt eine Glocke, bevor man eintritt, „klopft“ also kündigt sein Ankommen an. Man zieht die Schuhe aus. Im Tempel wird die Schöpfung symbolhaft dargestellt. Deutliche Hinweise darauf, dass alle Religionen irgendwann einmal einen gemeinsamen Ursprung gehabt haben, so verschieden sie heutzutage auch sein mögen.

Dhapasi Random Story Corner

Als Nächstes an der Reihe mit der Schädelrasur von Benny Uncle: die Zwillinge. Ganz geordnet wechseln sich die beiden ab, sind anfangs sehr vorsichtig, sodass ich sie ein wenig anleite. Wie ich schon mal schrieb, sind die beiden ja recht musikalisch und gehören zu den wenigen Jugendlichen, die auch ein gutes Ohr für Intonation haben. Schon nach kurzer Zeit summen beide ganz intensiv den Brummton des elektrischen Rasierers mit. Rapten variiert sogar und schafft damit ein richtiges „Mmmmm“-Melisma, während Ramesh, der mit der Gitarre vor uns sitzt, passende Akkorde spielt. Die drei grinsen nur, weil ich unentwegt lachen muss über diese skurrile Situation, die vermutlich erzählt auch gar nicht so lustig rüberkommt als wenn manʼs selbst miterlebt hat. :)

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