Max

Max heißt gar nicht Max. „Wie bist du auf ,Max‘ gekommen?“, frage ich neugierig. Er zuckt lächelnd mit den Schultern. Eine Figur aus einer seiner Lieblingsserien, erklärt er. Außerdem klingt „Max“ nicht einmal annähernd wie sein richtiger Vorname. „Ich möchte nicht mehr an meinen Namen denken“, sagt er. „Ich möchte vergessen, dass ich jemals so geheißen habe.“

Max sieht aus wie ein Nepalese, ist aber keiner. „Ich komme aus Kalkutta“, antwortet er auf die Frage nach seiner Herkunft. Das ist eine Lüge, aber immerhin handelt es sich um unser erstes Gespräch. Er weiß nichts über mich und möchte noch nicht alles über sich preisgeben, was ich ihm schlecht vorwerfen kann. „Was bringt dich denn nach Nepal?“, frage ich. Er lacht. „Das ist eine lange Geschichte“, antwortet er. „Arbeit?“, mutmaße ich. „Nein“, erwidert er. „Ich bin ein Flüchtling.“ Nun werde ich hellhörig und stutzig. Wer flieht denn freiwillig nach Nepal? Ich liebe Nepal, aber kann mir kaum vorstellen, dass ein Flüchtling hier ein halbwegs stabiles Leben findet. Ich sage aber gar nichts, weil mir die Worte fehlen, auch weiß ich nicht, ob es überhaupt angebracht ist, nachzuhaken. „Ich musste wegen meiner Sexualität fliehen“, erklärt er. „Weil ich schwul bin.“ Und vor mir breitet sich eine Geschichte aus, die mich seit ein paar Tagen nicht richtig schlafen lässt.

Das Hauptthema meines Blogs ist die Arbeit mit den Kindern im „Haus der Hoffnung“. Das wird auch so bleiben. Nach Dashain und Tihar habe ich nicht mehr sonderlich viel berichtet, weil mein erstes Nepali-Semester sich dem Ende zuneigt und die Abschlussprüfungen anstehen und die Zeit momentan nahezu rast. Dienstag, Mittwoch, Donnerstag und Freitag schreibe ich meine Klausuren und bin nur noch am Lernen; ich habe sogar mit Navaraj abgeklärt, dass ich in der kommenden Woche bei der study time etwas zurücktreten muss, damit ich vorbereitet bin. Und dennoch fühle ich mich gedrängt, diesen Blog-Eintrag, der von meinen üblichen Berichten inhaltlich stark abweicht, so schnell wie möglich fertigzuschreiben und zu veröffentlichen. Die Geschichte ist zu wichtig, zu schrecklich, zu krass, um nur einen weiteren Tag verstreichen zu lassen. Ich halte mich an die Details von Max’ Erzählung nicht, damit mein Blogpost so reißerisch und dramatisch wie möglich klingt, sondern weil sie mich ungeschont gelehrt hat, welche Zustände in der heutigen Zeit immer noch real sind. Und wie viel es auf der Welt noch zu tun gibt. Das gilt für Bereiche wie das Bildungssystem in Nepal und weiteren armen Ländern, aber eben auch für traurige Einzelschicksale wie das, was ich nun beschreibe.

Max ist sehr attraktiv. Mit seinen nicht ganz 170 cm sind wir auf Augenhöhe; er hat ein sehr filigranes, fotogenes Gesicht, unter dem schwarzen 7-Tage-Bart ein strahlend weißes Lächeln, einen braven Seitenscheitel, ungewöhnliche hellbraune Augen im Vergleich zur recht dunklen Haut. Was ich jedoch als Erstes wahrnehme, ist die ungezwungene fröhliche Art mit einem ansteckenden Lachen – vielleicht schockt mich daher seine Geschichte um so mehr.

Wie ich bei einem anderen Treffen erfahre, stammt Max in Wirklichkeit aus Dhaka, der Hauptstadt Bangladeschs. Als ich vorsichtig nach seiner Kindheit frage, zögert er nicht. „Sie war gut“, sagt er. „Ich hatte keinen Grund, nicht fröhlich zu sein.“ Max stammt aus einer strenggläubigen Sunnitenfamilie; sein Vater baute in jungen Jahren ein Reisimperium auf und gehört mittlerweile zu den erfolgreichsten, reichsten und einflussreichsten Unternehmern der Stadt. Das Verhältnis zum Vater ist distanziert, aber freundlich, das zu seiner Mutter weitaus enger. „Sie vermisse ich am meisten“, gesteht er.

Sein Leidensweg beginnt mit 15 Jahren, als anlässlich eines Familienfestes die gesamte Sippe ins Haus einfiel. Trotz großen Hauses ist es üblich, dass man sich das Schlafzimmer mit der Verwandtschaft teilt; so beherbergte Max den älteren Bruder seines Onkel, verheiratet, zwei Töchter. Max wundert sich, dass sein Onkel sich im Bett ungewöhnlich dicht an ihn presst, aber erst, als er zunächst beginnt, seine Beine, dann seinen Hintern zu streicheln, wird ihm unwohl. Er traut sich nicht, etwas zu sagen, aber als die Hand nach vorne wandert und beginnt, sein Glied zu massieren, hält er sich nicht zurück. „Bitte nicht“, sagt er. „Ich möchte das nicht.“ Sein Onkel lässt sich davon nicht beirren. „Ich habe ihn mehrfach gebeten, aufzuhören“, erzählt mir Max mit traurig leerem Blick. „Ich habe gesagt, ,Du bist doch mein Onkel, warum machst du das mit mir‘, aber er hat einfach nicht aufgehört.“ Als sein Onkel ihn vergewaltigt und Max zu weinen und laut zu flehen beginnt, presst der widerwärtige Mann ihm von hinten die Hand auf den Mund, sodass er kaum noch Luft bekommt.

Glücklicherweise, wenn man das in so einem Kontext überhaupt sagen darf, reist die Verwandtschaft am nächsten Tag bereits ab. Max bekommt nach dem Schock hohes Fieber, das auch nach einer Woche nicht besser werden will. Schließlich vertraut er sich seiner Mutter an, die am Boden zerstört ist, als sie das Trauma ihres Sohnes hört. Aber sie ist nicht stark genug, sich gegen die patriarchalische Hierarchie ihrer Familie und hiesigen Gesellschaft durchzusetzen. „Du musst vergessen, was geschehen ist“, rät sie ihrem Sohn hilflos. „Du darfst nie wieder mit irgendjemandem darüber sprechen.“ Der Onkel fässt Max nie wieder an, und zum Glück kommt die Verwandtschaft nur sehr selten zusammen. „Aber ich konnte ihm nie wieder in die Augen blicken“, gesteht Max. „Und ich habe nie wieder ein Wort mit ihm gewechselt.“ Niemand fragte je nach dem Grund.

Ich frage ihn, ob er glaubt, dass der Missbrauch Einfluss auf seine sexuelle Ausrichtung hatte. „Ich weiß es nicht“, sagt er. „Ich hatte nie die Chance, mich mit dieser Frage auseinanderzusetzen. Ich weiß nur, was ich empfinde und dass ich damit glücklich bin. Es ist mir egal, was die Leute sagen. Ich bin ich.“ Dass er sich zu Jungs hingezogen fühlt, merkt er das erste Mal deutlich mit 17 Jahren am College. „Ich habe mich nicht groß gefragt, ob was nicht mit mir stimmt. Es war halt so“, erklärt er recht selbstbewusst, gerade wenn man bedenkt, wie streng islamistisch sein Heimatland ist – Homosexualität ist nicht nur ein gesellschaftliches Tabu, sondern illegal. Wenn man erwischt wird, kann einem im schlimmsten Fall eine lebenslange Haftstrafe auferlegt werden (da ist die Lage in Nepal übrigens weitaus entspannter – auch hier wird Homosexualität gesellschaftlich nicht anerkannt, ist aber wenigstens legal – immerhin ein erster Schritt). Wie die meisten Asiaten aus Ländern mit ähnlicher Problematik legt Max sich zunächst ein anonymes Facebook-Benutzerkonto so. Auf diese Weise kann er mit anderen in Kontakt treten, und es ist generell der ungefährlichste Weg für einen Austausch. Man könnte Max vorwerfen, es sei naiv und unvorsichtig, im Computerraum des Colleges mit anderen Schwulen zu chatten, aber man bedenke sein Alter, die völlig normale Neugierde, der Konflikt mit Gesellschaft, Religion und Familie, der Drang nach gleichgesinnten Gesprächspartnern. Bei einem recht romantischen Chat bemerkt er allerdings nicht, dass ihm ein Kommilitone über die Schulter schaut. Dieser berichtet seinen Freunden davon, und die Nachricht verbreitet sich wie ein Lauffeuer. Ein Cousin von Max, der am gleichen College studiert, erfährt ebenfalls davon und erzählt es Max’ Familie.

Max erhält einen Anruf von seinen Eltern, die ihn zur Rede stellen. Max druckst gar nicht drum herum. „Ja, ich mag Jungs“, gesteht er frei heraus und stößt auf bitteres Unverständnis. Sein Vater ist nicht einmal bereit, das Thema Homosexualität auch nur ins Auge zu fassen. Er stempelt Max als intersexuell ab, als jemanden, dessen Geschlecht nicht ganz klar ist und der ein wenig Hilfe braucht, um sich selbst zu finden. Max wird unverzüglich aus dem College genommen, nach Hause geholt und ein paar Tage später zu einem sunnitischen Schamanen gebracht, der ihn von den Dämonen befreien soll, von denen er besessen ist.

Für die Schamanen-Therapie wird Max in einen relativ großen, aber stockfinsteren Raum gesperrt. Ist der Schamane anwesend, werden ein paar Kerzen angezündet, damit Max das Gesicht des Exorzisten gerade so sehen kann, aus einem Behälter steigt beißender Rauch. Der Schamane sagt Mantras auf und fragt Max wiederholt, ob er etwas im Rauch erkennen kann, denn dort sollen die Dämonen aufsteigen, die von ihm Besitz ergriffen haben. Max lässt die Tortur über sich ergehen, räumt aber ehrlich ein, nichts im Rauch zu sehen.

An dieser Stelle streckt er mir seinen linken Arm entgegen. Auf dem Unterarm erkenne ich ein paar runde Vernarbungen. „Am zweiten Tag hat er begonnen, Zigaretten auf meinem Arm auszudrücken“, erzählt er. Unter Schmerzen schreit Max, dass er die Dämonen nun sehen kann, aber der Schamane glaubt ihm nicht. Wieder und wieder presst er ihm den glühenden Stab direkt in die Haut.

Als Max seinen linken Ärmel hochkrempelt, kann ich meine Tränen kaum noch zurückhalten. Was die vielen feinen Linien auf dem Oberarm bedeuten, kann ich mir fast denken, aber ich lasse es ihn trotzdem aussprechen. Ab dem dritten Tag kommt ein scharfes Messer zum Einsatz. Der Schamane fängt das Blut auf, aber Max weiß bis heute nicht, was damit geschehen ist. Immer wieder beteuert er, etwas im Rauch zu erkennen, aber nach der einwöchigen Folter-Therapie kommt der Schamane zum Schluss, dass alles vergebens war. „Ihm ist nicht zu helfen“, erklärt er den Eltern.

Das ist für seinen Vater aber kein befriedigendes Ergebnis. Er lässt Max sofort in eine geschlossene Psychiatrie einweisen. Max kommt in eine Gummizelle, in der sich nichts befindet außer einer Matratze und einem niedrigen Tisch. Die Gefahr ist zu groß, er könne sich etwas antun; nicht einmal ein Handtuch darf er im Raum haben, denn er könnte sich damit ja erhängen. Alles, was er tut, wird streng beobachtet. Alles. Max hat nicht viele Erinnerungen; er bekommt so viele Medikamente entweder in Pillenform oder als Injektion, dass er fortwährend benebelt ist. Er schläft mehr, als dass er wach ist. Ein halbes Jahr (!) ist er hier eingesperrt, bis er seine Mutter am Telefon anfleht, ihn doch nach Hause zu holen, weil er es nicht mehr aushält. Irgendwie schafft sie es, ihren Mann davon zu überzeugen.

Aber daheim, bei einem erbarmungslosen Vater und geächtet von allen Freunden und der gesamten Verwandtschaft, erwartet Max eine noch größere Hölle. Zweimal versucht er sich, mit Schlafmedikamenten das Leben zu nehmen. Er ist dank seiner Mutter am Leben, die darauf besteht, dass er ins Krankenhaus gebracht wird, obwohl sein Vater verkündet, es sei besser, wenn er stirbt und er ihn damit endlos los ist. Nachdem sich Max erholt hat, weiß er, dass es für ihn nur einen Ausweg gibt: Er muss weg. So schnell wie möglich.

Max findet einen Verbündeten bei einem weitläufigen Verwandten, von dem er später erfährt, dass dieser ebenfalls homosexuell ist. Als Max in einer Nacht-und-Nebel-Aktion von zu Hause fortläuft, findet er bei diesem Mann nicht nur Zuflucht, sondern dieser verschafft ihm sogar einen Job, und zumindest für eine Weile hat er zu einem gewissen Grad seine Ruhe, auch wenn ihn immer wieder die Angst überkommt, man könne ihn ausfindig machen. Die Angst bewahrheitet sich auch schließlich, aber es ist seine Mutter, die den Kontakt zu ihm sucht. Er lässt sich auf ein Telefonat mit ihr ein, und sie bittet ihn inständig, nach Hause zu kommen. Max weiß, dass sie es gut mit ihm meint und das Beste für ihn will, aber er weiß, dass eine Rückkehr eigentlich keine Option ist. Als er dennoch darüber nachdenkt, erfährt sein Verwandter, dass sein Vater eine Heirat für ihn arrangiert hat. Sollte er also nach Hause kommen, wird er zwangsverheiratet, damit mit dem Thema ein für allemal Ruhe ist. Sein Verbündeter gibt ihm Geld und verhilft ihm ins Ausland.

In Malaysia bleibt Max eine ganze Weile. Sein Leben hier ist jedoch genauso angsterfüllt, denn zum einen weiß er, wie einflussreich sein Vater ist, zum anderen ist er zwar nicht illegal im Land, kann jedoch derzeit nur Schwarzarbeit leisten. Sein Pass befindet sich dort an einem College, wo er sich bewerben möchte, als ihn die korrupte Polizei, wie es in Malaysia leider üblich ist, bei einer Razzia festnimmt. Da er seinen Pass nicht bei sich hat, nehmen sie ihm alle persönlichen Gegenstände ab, darunter auch sein Handy, auf dem er tragischerweise ein paar Fotos von Männern gespeichert hat, die einander küssen. In Malaysia ist Homosexualität ein genauso großes Verbrechen wie in Bangladesh – jedoch bietet der Polizist Max an, das Ganze unter den Tisch fallen zu lassen. Für ein Bestechungsgeld von umgerechnet 300 Euro, immerhin vier Monatsgehälter für jemanden aus Bangladesh, der in Malaysia als Schwarzarbeiter nur unbedeutend mehr verdient. Erneut kommt Max’ Verwandter ihm zur Hilfe, der das Geld beschafft. Da Max nicht weiß, wie es mit ihm weitergehen soll, setzt er sich mit ORAM in Verbindung (Organization for Refuge, Asylum and Migration). Dort rät man ihm, sich als Flüchtling in ein anderes Drittweltland abzusetzen. Max denkt nicht lange nach: Mit seinem Pass hat er nämlich nicht viele Optionen. Für fast alle Länder müsste er zurück nach Dhaka in die jeweilige Botschaft und ein Visum beantragen; Nepal ist das einzige Land, in das er sofort einreisen kann.

Also kommt er im April 2016 nach Nepal. Er ist jetzt 22 Jahre alt, hat eine siebenjährige buchstäbliche Tortur hinter sich. Und Nepal, wie er dann schnell feststellen muss, nimmt gar keine Flüchtlinge auf. Die korrupte Regierung hat zu viele eigene Probleme und kann sich nicht noch um die Probleme von Ausländern kümmern. Nachdem das fünfmonatige Touristenvisum abläuft, ist Max nun also illegal in Kathmandu. Vom Aussehen fällt das nicht auf, aber: Er bekommt keine Arbeit. Und wenn er ausreist, muss er eine satte Strafe zahlen, für die ihm das Geld fehlt. Dank seines großzügigen Verwandten besucht er tagsüber Kurse für Barkeeper, Baristas, Köche. Kochen ist seine Leidenschaft, und er hat den Traum, in einer ungewissen Zukunft in einem Restaurant zu haben. Manchmal erlaubt er sich sogar den Traum von einem eigenen Lokal. Wie sich das verwirklichen lässt, weiß er nicht. Momentan ist es nicht möglich. Die Angst, sein Vater könnte ihn ausfindig machen, hat sich ebenfalls noch nicht ganz gelegt. Falls ja, muss er um sein Leben fürchten.

Was mich an Max am schwersten beeindruckt, ist seine fröhliche Art. Wenn er über sein Leben spricht, ist ihm der Schmerz anzusehen, aber immer nur für ein paar kurze Augenblicke. „Die Vergangenheit ist vergangen“, erklärt er. „Ich kann sie nicht ändern. Ich kann nur aus ihr lernen. Jetzt muss ich an meine Zukunft denken.“ Ob er seine Familie manchmal vermisst, frage ich ihn vorsichtig. „Den Mann, der einmal mein Vater war, vermisse ich nicht“, sagt er. „Aber ich sehe ihn nicht als Vater an. Ich habe keinen Vater.“ Seine Mutter vermisst er sehr, selbst wenn sie in all den Jahren oft nur hilflos zuschauen konnte, was ihm widerfuhr. „Manchmal kann ich nachts nicht schlafen, weil ich sie so sehr vermisse“, berichtet er mir. „Dann kommt mir manchmal der Gedanke, dass ich sterben möchte. Aber ich schüttele ihn schnell ab. Denn morgen ist ein neuer Tag, morgen wird alles besser.“

Ich kenne Max noch nicht einmal eine Woche. Trotzdem spüre ich, wie er mein Leben, meine Einstellung, meine Dankbarkeit für vieles, was mir oft viel zu selbstverständlich ist, beeinflusst. Wie sehr ich meine Eltern und Geschwister und Freunde dafür liebe, dass sie mich hinnehmen, wie ich bin. Dass sie, egal welchen Bockmist ich ihrer Meinung nach baue, nicht aufhören würden, mich zu lieben. Ich habe Max bereits wieder und wieder gesagt, wie sehr ich den Hut vor ihm ziehe. Wie viel Respekt ich vor seinem inspirierenden Beispiel habe. Diamond in the rough nenne ich ihn. „Weißt du, wie viele in einer ähnlichen Situation aufgegeben haben?“, frage ich ihn. „Weißt du, wie sehr die Welt Beispiele wie dich braucht?“ Er lächelt nur. „Ich bin überhaupt nichts Besonderes“, behauptet er. „Ich bin gar nicht viel wert. Aber ich schau nach vorn und mache weiter.“ Die vielen Traumata haben sein Selbstbild negativ geprägt.

Und deshalb erzähle ich Max’ Geschichte. Ich weiß, ich erreiche hier nur ein kleines Publikum, aber vielleicht wird seine Geschichte weitergetragen und immer mehr erfahren davon. Ich hoffe es, denn momentan gibt es kaum jemandem, dem ich mehr Glück und Freude wünsche als ihm. Ja, auch die Kinder hier im Heim kommen teilweise auch erschütternden Zuständen. Aber sie haben derzeit eine reelle Chance auf eine Zukunft, gehen in eine halbwegs vernünftige Schule, wissen, dass Gutes auf sie wartet. Für Max ist mit Anfang 20 noch alles ungewisst. Ich wünsche ihm, dass er seinen Weg findet. Und sollte ich nur einen Bruchteil davon miterlebt haben, ist es mir das wert. Denn ich weiß, ich werde seine Geschichte nie vergessen, und ich wünsche mir, dass ich die nächsten Schwierigkeiten auch nur mit einem Funken seiner fröhlichen Einstellung bewältigen kann und mir ein wenig Max stets im Herzen bewahre.

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Kommentare: 2
  • #1

    Papa (Montag, 05 Dezember 2016 13:57)

    Was für eine Geschichte! Danke Benny, dass du sie uns erzählt hast. Da liegt noch wahrhaftig viel im Argen. Wir sind dem Vater im Himmel dankbar, dass wir in einem Land leben, wo zwar auch nicht alles gut ist, aber immerhin würde Max hier doch mehr Verständnis finden.

  • #2

    Eva (Montag, 05 Dezember 2016 22:13)

    Das ist wirklich eine erschütternde Geschichte, Ben! Tragisch, was für barbarisches Verhalten in unserer vermeintlich modernen, aufgeklärten Zeit noch immer möglich ist! Ich wünsche dir sehr und bete auch dafür, dass du trotz dieser aufwühlenden Begegnung bald wieder besser schlafen kannst, erst recht so kurz vor deinen Prüfungen! Und auch Max werde ich in meine Gebete einschließen. Vielleicht magst du ihm das ja bei einem Wiedersehen ausrichten, dass da auf der anderen Seite der Welt eine wildfremde Frau für ihn betet und ihm von Herzen alles Gute wünscht, vielleicht gibt ihm das ja ein Stück mehr Lebensmut und Durchhaltewillen für den nächsten Moment, wenn er nahe am Aufgeben ist! <3 lich, Eva